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Mithilfe von Darmspülungen am Leben teilhaben

Regina* weiß, wovon sie spricht. Die 22-jährige Studentin wurde mit Anorektaler Malformation geboren und spült schon ihr Leben lang. „Spülen“, das heißt, mit regelmäßigen rektalen Einläufen („Darmspülungen“) den Darm zu entleeren. Durch die kontrollierte Stuhlentleerung wird eine sog. „Soziale Kontinenz“ erreicht, was es ihr ermöglicht, fast ganz normal am Leben teilzuhaben.

In ihrem Blogbeitrag verrät Regina uns, was es für sie bedeutet, zu spülen. Und welche Faktoren ihrer langjährigen Erfahrung nach dazu beitragen, dass das Spülen langfristig erfolgreich ist und sich der Frust-Faktor in Grenzen hält:

„Spülen ist doch gar nicht so schlimm! …

… zugegeben: Manchmal nervt es! Vor allem dann, wenn ich spontan am Abend etwas unternehmen möchte, aber eigentlich spülen sollte. Oder wenn ich etwas geplant habe und dann überraschend spülen muss, weil ich „Unfälle“ vermeiden will … Das bringt uns bereits zum ersten und vielleicht wichtigsten Punkt in Sachen „Spülen/ Einlauf“ – die Zeiteinteilung:

Planung & Zeitmanagement: Das A und O, wenn es um’s Spülen geht

Derzeit spüle ich alle 3-4 Tage (also jeden 3. oder 4. Abend) am liebsten am Abend, weil ich dann den wenigsten Stress habe und auch danach meinem Körper die Ruhe gönnen kann, die er braucht. Außerdem lässt sich mein Bauch gerne Zeit. 1-2 Stunden muss ich schon für die Toilette – mit alles herrichten, spülen etc. – einplanen.

Regelmäßigkeit und zeitliche Routine waren lange besonders wichtig

Während wir eigentlich seit Beginn abends spülen, ist der Zeitintervall mit zunehmenden Alter und Erfahrung gestiegen. Da meine Eltern zu spülen begonnen haben als ich noch ein Kleinkind war, kann ich mich nicht mehr allzu genau daran erinnern. Ich weiß aber, dass wir froh waren, wenn ich nach einer Spülung 24 Stunden sauber war und wie wichtig die ersten Jahre Routine waren.

Zum Beispiel gelingt es mir erst seit ein paar Jahren, an einer anderen Tageszeit als abends, beispielsweise am Vor- oder Nachmittag, erfolgreich zu spülen. Zuvor hat es zwar scheinbar auch funktioniert, aber nur für ein paar Stunden, falls ich Glück hatte. Den Zeitintervall haben wir anfangs eher notgedrungen erhöht, weil ich wo anders schlief oder wir einfach keine Zeit finden würden, hat aber natürlich gerade am Anfang nicht gut funktioniert, weshalb es auch lange eine reine Notlösung blieb …

Ich denke diesbezüglich ist es wichtig, eine für sich bzw. für alle Beteiligten gute Routine zu finden, bei der kein Stress entsteht und vor allem zu Beginn die Regelmäßigkeit, damit sich auch der Körper daran gewöhnen kann.

Die Zeit für die Spülungen ist die Zeit, die ohne Wenn und Aber für mich alleine reserviert ist.

Freizeitgestaltung – Spül-Zeit ist auch Aus-Zeit 😊

Wie bereits oben erwähnt, nimmt das Spülen einige Zeit in Anspruch. In meinem Fall 1-2 Stunden, je nach Tagesverfassung etc. Ich habe angefangen, diese Zeit als Zeit für mich zu sehen und auch zu nutzen, denn ganz ehrlich – nirgends ist man so ungestört wie am Klo!

Meistens lese ich, höre Musik oder gucke eine Serie, aber egal wie stressig es ist, während dem Spülen wird nur selten gelernt und nur dann, wenn ich gerade darauf Lust habe. So ist das Spülen zwar manchmal nicht 100% mit meinen Plänen kompatibel, aber dennoch immer auch in gewisser Weise angenehm, mal keine Verpflichtungen zu haben. Ein fixer Punkt alle paar Tage, an denen ich nix muss, außer spülen und nebenbei irgendwas, was mir gerade Freude macht.

(F)ORT – Information & Vorbereitung machen’s möglich

Natürlich ist man nicht immer zu Hause, sondern auch mal auf Urlaub etc. Bei Klassenfahrten habe ich meist entweder das Abendprogramm ausfallen lassen, um stattdessen zu spülen, während die anderen also nicht im Zimmer waren oder als ich älter wurde habe ich meinen Freundinnen und damit auch Zimmerkolleginnen Bescheid gegeben, dass ich auf Grund meiner Behinderung das Klo nun für eine Weile in Beschlag nehmen muss. Bei Gemeinschaftstoiletten ist das schon schwieriger, entweder gibt es eine Behindertentoilette, die etwas abgelegener ist oder ich frage nach einer Personaltoilette oder so, damit ich meine Privatsphäre habe. Das vor der Tür nämlich ständig Leute vorbeilaufen muss ich echt nicht haben.

Eine Lösung gibt es immer, auch wenn man machmal länger danach suchen muss

Zugegeben, ich bevorzuge es im Vorfeld über die Sanitäreinrichtungen Bescheid zu wissen um entsprechend zu planen bzw. mich darauf einstellen zu können. Aber bis jetzt hat sich noch immer eine Möglichkeit und Lösung gefunden und ich bin zuversichtlich, dass das auch in Zukunft so sein wird.

Manchmal muss man halt um Hilfe bitten, um sie auch zu erhalten.“


*Regina heißt eigentlich anders, möchte für diesen Beitrag aber lieber anonym bleiben.

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